Für die meisten Unternehmen ist die Reduktion der Einkaufskosten einer der mächtigsten Hebel überhaupt – Einsparungen im Einkauf können nämlich fast 1:1 auf den Gewinn hinzugerechnet werden, wenn man es richtig macht. Wer jedoch zu aggressiv sparen möchte, erliegt unter Umständen dem berüchtigten López-Effekt. Wir beleuchten, wie man Einkaufskosten senkt und wie man dennoch die Waage zwischen Preis und Qualität hält.
Der Einkauf hat einen riesigen Anteil am Umsatz der meisten Unternehmen. Wie groß dieser Anteil ist, ist schwierig zu beziffern und von Branche zu Branche, sogar von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Meistens machen die Einkaufskosten jedoch etwa zwischen 35 und 50 Prozent des Gesamtumsatzes eines Unternehmens im produzierenden Gewerbe aus.
Besonders interessant: Beim Versuch, die Einkaufskosten zu senken, geht es nicht nur um teils riesige Summen, sondern auch um Gelder, die (zumindest theoretisch) 1:1 in den Unternehmensgewinn umgeschichtet werden können. Oft sind Umsatz und Einkaufskosten weitaus höher als der Reingewinn eines Unternehmens, was bedeutet, dass schon 5- oder 10-prozentige Einsparungen im Einkauf zu 15-, 20- oder gar 25-prozentigen Steigerungen des Gewinns führen können.
Allerdings ist es leichter gesagt als getan, die Einkaufskosten tatsächlich merklich zu reduzieren. Noch dazu handelt es sich bei der Materialbeschaffung um eine Gratwanderung zwischen niedrigen Preisen und zufriedenstellender Qualität. Gerade im Automobilbau kann fehlende Qualität richtig gefährlich werden, was José Ignacio López in den 1980ern demonstriert hat – aber dazu später mehr. Zunächst wollen wir uns den möglichen Stellschrauben im Einkauf widmen.
Im Beschaffungsmanagement unterscheidet man zwischen sogenannten A-, B- und C-Gütern.
Hier macht es wenig Sinn, Zeit und Energie in die Kostenoptimierung von C-Gütern zu investieren – selbst wenn sie bei einigen oder vielen der C-Güter einen besseren Einkaufspreis heraushandeln können, wird sich das bei den Ausgaben kaum bemerkbar machen. Sie sollten also stattdessen alles daran setzen, bei den A-Gütern Einsparungen zu erzielen. Selbst prozentual geringe Einsparungen können bei den A-Gütern eine starke Hebelwirkung entfalten.
Vielleicht denken Sie darüber nach, sich von einem Lieferanten zu trennen, weil dieser besonders teuer ist. Vielleicht gibt es sogar Lieferanten, denen Sie bisher nicht einmal eine Chance gegeben haben, weil diese zu teuer schienen – allerdings bloß auf den ersten Blick.
Einkaufskosten bestehen eben nicht nur aus dem Einkaufspreis. Die Nebenkosten können gut und gerne ein Fünftel der gesamten Einkaufskosten ausmachen: Eingangskontrolle und Reklamationen, eventuelle Rücksendungen, Liefer- und Zollgebühren, Montagekosten und so weiter wollen ebenfalls beachtet werden. So geschieht es beizeiten, dass Unternehmen Einsparungen verpassen, weil sie Zulieferer, die als hochpreisig wahrgenommen werden, von vornherein aus dem Lieferantenpool ausklammern. Was jedoch, wenn diese dank herausragender Qualität, absoluter Termintreue, großer Flexibilität oder guten Lieferbedingungen tatsächlich viel günstiger sind als die nur scheinbar günstigere Konkurrenz?
Je nach Unternehmensstruktur und Führungskompetenzen der einzelnen Abteilungen ist das sogenannte Maverick Buying in vielen Firmen an der Tagesordnung. Im Beschaffungsmanagement spricht man vom Maverick Buying, wenn einzelne Personen oder Abteilungen Einkäufe außerhalb der festgelegten Beschaffungsrouten organisieren. In Fällen mit hoher Dringlichkeit (Störungen und Maschinenausfälle) kann das eventuell unvermeidlich sein – ausgeprägtes Maverick Buying schlägt sich jedoch in nicht unerheblichem Maße in den Ausgaben nieder: Bessere Konditionen, die der Einkauf unter Umständen bereits bei bestimmten Lieferanten erzielen konnte, werden dann ausgeklammert und Personen mit geringerer Verhandlungskompetenz kaufen zu höheren Preisen ein.
Bei dieser komplexen Problemstellung geht es hauptsächlich darum, herauszufinden, warum Maverick Buying überhaupt betrieben wird. Die möglichen Gründe sind mannigfaltig – die möglichen Lösungen sind es aber glücklicherweise ebenfalls.
Zugegeben: Der Begriff López-Effekt stammt zwar aus der Automobilindustrie – genau deshalb sollte er heute jedoch keinen Platz mehr dort haben. José Ignacio López de Arriortúa war in leitender Position im Verkauf von General Motors, Opel und Volkswagen tätig. Dort machte er sich mit einer extrem harten Verhandlungslinie einen Namen, wurde einige Zeit später jedoch auch genauso berüchtigt wie berühmt.
López unbedingter Wille, Kosten einzusparen, führte zu einem Qualitätsverfall und schlussendlich zu kostspieligen Reparaturen für die Endkunden. Sie sehen: Der Grat zwischen möglichst guten Einkaufskonditionen und möglichst hoher Qualität ist schmal, im Zweifelsfall ist man jedoch gut damit beraten, für bessere Qualität etwas mehr auszugeben als umgekehrt. Das werden nicht nur die Kunden Ihnen danken, sondern auch Ihre Marke.
Man kann die Rolle, die der Einkauf für den Unternehmenserfolg spielt, kaum überschätzen. Durch vergleichsweise simple Schritte lassen sich Einkaufskosten oft um ein beträchtliches Maß senken. Dabei gibt es glücklicherweise viele Stellschrauben, an denen man drehen kann – drei dieser Stellschrauben haben wir Ihnen in diesem Artikel vorgestellt.
Gleichzeitig sollten Sie sich jedoch auch immer vor Augen halten, dass es zumindest bei der Qualität der eingekauften Materialien, Maschinen und Anlagen wenig sinnvoll ist, Kompromisse einzugehen. Wer auf Qualität setzt, zahlt in die Marke ein – und das könnte auf lange Sicht hin noch viel lohnenswerter sein als reduzierte Einkaufskosten.